Mit der DR350 4000km über den Balkan

"Plauderquatsch mit dem jungen Schimmi und dem netten Onkel"
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SilkeBig
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Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

Ich hatte vor der Abfahrt in einem andreren Thread versprochen, über den Urlaub zu berichten.
Hier ist er nun häppchenweise...

Mit Pet und Oskar auf Tour
Pet und Oskar? Ja, unsere neuen Reisegefährten! Beide von Suzuki, beide schon längst volljährig, aber beide mit erst 16.000km auf der Uhr - also jugendlich wie wir! :-)
Pet, eine 93er DR350 war zum Zeitpunkt ihres Kaufs mein Motorrad Nummer 5. Auf Russisch/Bulgarisch heisst "Pet" einfach nur "fünf", daher der Name. Oskar ist eine DR650 RSE mit Fahrwerk von StefanRB, damit e"r" nicht ganz so mädchenhaft ist :-)
Nachdem ich aus Russland zurück gekommen bin, sind wir gleich mit den beiden zum Tesch Treffen nach Malmedy in Belgien los gezogen. Ich habe dort einen Reisevortrag über meine Heimreise per Motorrad aus der Mongolei 2014 gehalten und Jan und ich nutzen die Gelegenheit, Pet und Oskar in die Motorrad-Reisecommunity einzuführen und eine kleine Testfahrt mit neuen Gepäckhaltern, Taschen, Fahrwerk und Sitzbänken zu machen.
Jans Oskar hat bei der Probefahrt gezeigt, dass er trotz seiner mädchenhaften Optik ein harter Kerl ist, meine Pet brauchte noch ein bischen Zuwendung. Mädchen halt! Ich glaube, das mit den nassen Füßen fand sie nicht so lustig. Aber an sowas muss man sich bei mir gewöhnen!
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Die Vorgängerin von Pet ist nun auch verkauft, was das Konto wieder entspannter macht und so ist die Reisekasse gesichert und Pet, Oskar, Jan und ich düsten am Samstag los. Der Plan ist, nach Bulgarien zu fahren und dort Pet und Oskar samt ihrer im Louis Flohmarkt für 152€ zusammen gekauften Ausrüstung (Gepäck&Co) im Motocamp in Idilevo unter zu stellen. Dort werden die zwei auf uns warten, bis wir zum Beispiel spontan einen Billigflug ab Dortmund kaufen, um ein langes Wochenende unter bulgarischer Sonne (am Strand? In den Bergen?) zu verbringen, statt in deutschem Regen zu frieren.
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Es ist immer gut, die Reiseroute vorher nicht fest zu legen. In unserem Fall war ja nur ein Motel in Mannheim reserviert, aber auch dort waren wir nicht. Statt Freitag Abend nach der Arbeit im Pfingst-Dauerstau bis Mannheim zu fahren, haben wir uns erst Samstag früh auf den Weg gemacht und nochmal gut zu Hause geschlafen. Wie der Zufall es wollte, hat mir Andreas, mit dem ich letztes Jahr in Serbien unterwegs war, kurz vor Abfahrt erzählt, dass er am Samstag mit Motorrad auf der Durchreise nach Kroatien eine Unterkunft in Kärnten suche. Och! Da fiel mir doch unser „Gasthof Steinbrugger“ in Molzbichl ein, das Aynchel vor etwa 10 Jahren auf der Anreise zur Dalmatia Rallye zufällig entdeckt hatte. Seit dem war ich nun schon 11 Mal dort! Spontan beschlossen wir, uns dort zu treffen.
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Kleiner Nachteil: da Jan und ich nicht am Freitag, sondern erst Samstag los fuhren, lagen 927km vor uns. Ich war skeptisch. So viele Kilometer auf einem Zwergenmotorrad mit 350ccm und nur 27PS? Aber: das einzige Problem war die Kälte, denn plötzlich waren wir nach 11,5 Stunden ganz entspannt in Kärnten und schlemmten uns mal wieder durch die Spezialitäten. Mein Motorrad „Pet“ erwies sich als erstaunlich langstreckentauglich und die neue Sitzbank ist Gold wert! Noch nie war ich mit einem so kleinen Motorrad so weit nonstop gefahren. Und nun weiß ich: gar nicht schlimm! Pet kann das gut!
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Am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück mit Andreas reifte der Plan, mit ihm gemeinsam weiter nach Kroatien zu fahren, wo er für eine Motorradreise, die er als Tourguide für Edelweiss Bike Travel führen wird, noch ein paar Strecken erkunden sollte. Er hatte dazu eine BMW R1200GS bekommen mit 950 Kubik und 100 PS MEHR als meine kleine Pet. Wieder war ich skeptisch. An das Reisen mit dem Zwergenmotorrad musste ich mich erst gewöhnen.
Das einzige Problem der Tagesetappe durch Österreich, Slowenien und den Norden Kroatiens war die Kälte. In Slowenien regnete es und meine Reifen, noch von der Vorbesitzerin meines letztjährigen Balkanmotorrades, waren nicht nässetauglich, ich fuhr auf Schmierseife und war extrem sauer. Und mir war kalt. 9 Grad und Regen entsprach nicht dem, was man sich unter schöner Slowenischer Bergwelt und Urlaubswetter so vorstellt.
In Kroatien hörte der Regen zwar auf, dafür gab es heftigen Wind bei Temperaturen von 7 Grad. Wir froren alle wie nie und hatten alles an, was das Gepäck so her gab. Der Wind blies so stark, dass Brücken gesperrt wurden und ein Tempolimit auf der Autobahn von 40km/h angezeigt wurde. Eigentlich wollten wir über den berühmten „Alan“ Schotterpass fahren, wegen Eiseskälte und Höllenwind haben wir das dann gelassen und sind über Autobahn nach Zadar.
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Die ersten Cevapcici waren nicht so toll, aber die Altstadt, an dessen Hauptplatz wir Unterkunft fanden, war genauso schön, wie ich es noch in Erinnerung hatte. Es muss über 10 Jahre her sein, dass ich zuletzt dort war.
Von Zadar aus ging es auf der Edelweiss Route hinter Andreas her. Erst zum Krka Nationalpark, dann weiter durchs Hinterland auf kurvigen Straßen ohne Ende.
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Die Cevapcici an der Grenze zu Bosnien Herzegowina waren himmlisch – und wegen der Kälte auch dringend nötig. Jan hat dann für die kommende Edelweiss Reisegruppe einen super Picknickplatz am See gefunden, bevor wir – falsch abgebogen oder nicht – durch unglaublich schöne Berglandschaft auf knapp 1000 Meter auf allerkleinsten Teerbändern gefahren sind. Ich mag Bosnien Herzegowina jedes Mal mehr, die Landschaft dort ist so schön wild!
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Plötzlich, an einer kleinen Siedlung, stand ein LKW quer auf dem Weg. Der LKW schwankte im Stand, aber es war kein Fahrer in Sicht. Wir konnten mit den Motorrädern querfeldein daran vorbei fahren und wurden auf der anderen Seite von einem alten Mann gegrüßt: „Na, alles gut?“ Er hatte vor 40 Jahren in Deutschland gearbeitet und erklärte, sein Nachbar bekäme gerade Kühe per LKW geliefert.
In Mostar angekommen fühlte es sich bereits wie zu Hause an. Unsere Wirtin inmitten der Altstadt mit Blick auf die Brücke kam angerannt (wir hatten nicht reserviert) und fragte ganz erstaunt, warum wir denn jedes Mal mit anderen Fahrzeugen kämen. :-) Wie immer war Mostar am Abend ein Juwel, das wir immer und immer wieder genießen können!
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Am nächsten Morgen, meinem 40. Geburtstag, haben wir uns nach dem gemütlichen Frühstück im Garten kaum vor die Tür getraut, weil es überall von Touristengruppen wimmelte. Unseren Versuch, zur Brücke zu laufen, gaben wir auf und flüchteten hinter Andreas aus der Stadt. Die 250km bis Kotor in Montenegro waren ein absoluter Traum! Nur Kurven und gar kein Verkehr! Nur wir und unser erhöhtes Reisetempo in umwerfender Berglandschaft! Mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst: zwei neue Stempel im Pass mit dem Datum meines Geburtstages!
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Mittlerweile bin ich ganz verliebt in Pet, sie fährt sich gar nicht so klein, wie sie ist und mag Kurvenhatz genauso gerne wie ich! Nur die Polizei mag keine Kurvenhatz und hat uns mit dem Radar eingefangen und angehalten. Ich glaube, denen war es zu blöd, mit uns zu diskutieren, denn wir können ja alle drei nur Deutsch und da war Verständigung echt schwer! :-) Die Streckenführung war ein echtes Geburtstagsgeschenk, inklusive Essen an einem Bergsee! Direkt am Grenzübergang zu Montenegro fing es dann wieder an, zu regnen – und natürlich wurde es dann auch wieder eiskalt. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt in einem Urlaub so viel gefroren habe!
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Schnell runter ans Meer in die malerische Bucht von Kotor, Südeuropas tiefstem Fjord. Unser Hotel liegt direkt in der Altstadt von Kotor an einem kleinen, verschlafenen Platz. Hier wollte ich schon lange mal hin! So schön!
Montenegro existiert erst seit 10 Jahren und hat es sich einfach gespart, eine eigene Währung einzuführen. So zahlt man dort mit Euro, ohne in der EU zu sein. Finde ich gewöhnungsbedürftig. Das, was wir bisher von Montenegro gesehen haben ist viel "reicher" als Serbien, wozu Montenegro ja früher gehört hat. Der Asphalt ist super, die Dörfchen wirken "aufgeräumter" und die Autos neuer. Die Küste ist spektakulär: steil bis 1000m aufragende Gebirgszüge fallen fast senkrecht ab zu einem schmalen Küstenstreifen mit Fjorden.
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Jan und ich entschieden, die mittelalterliche Altstadt unter UNESCO Weltkulturerbe Schutz noch einen ganzen Tag lang zu genießen, während Andreas sich auf den Weg nach Dubrovnik machen musste, seine Reisegruppe begrüßen. Wir hatten eine super Zeit zu dritt mit perfektem Kurvenrausch auf Strecken, die nur uns zu gehören schienen...
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Donnerstag früh gondeln wir weiter nach Albanien und fahren Freitag mit der berühmten (neuen) Fähre auf dem Koman Stausee durch Bergschluchten auf türkisfarbenem Wasser. Das stand auch schon länger auf meiner Liste der Reise-Ideen und nun liegt das zufällig auf dem Weg von der Dalmatischen Küste nach Bulgarien. So fügt sich alles, wenn man den Plan erst dann macht, wenn man schon unterwegs ist!
Zuletzt geändert von SilkeBig am 31.05.2016 14:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

So, es ging weiter:

Im Land der dicken Hosen – und das Wasserfall-Problem

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Donnerstag sind wir von Kotor aus in unzähligen Serpentinen (27?) die Steilküste hoch gekurvt und haben immer wieder angehalten, um das wirklich atemberaubende Panorama auf die Bucht von Kotor zu genießen. Ein Highlight der bisherigen Reise!

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Um in den Lovcen Nationalpark rund um den höchsten Gipfel zu kommen, musste man lächerliche 2€ Eintritt zahlen. Auch wenn ich nicht gemerkt hätte, dass der Ranger uns mit dem Wechselgeld geschickt beschummeln wollte – den „Aufpreis“ wäre es auch wert gewesen! So eine tolle Hochgebirgslandschaft! Die Straße wieder nur ein schmales Band aus Asphalt durch eine Kulisse wie gemalt! Und in meinem Kopf drehte sich die Frage: „Warum heißt dieses Land „Montenegro“, wenn doch die Berge alle aus Kalkstein und somit alles andere als schwarz sind?“ Insgesamt hat das Land bei uns einen sehr „aufgeräumten“ Eindruck hinterlassen. Auf der Landstraße Richtung Hauptstadt Podgorica waren sogar Müllsammler im Einsatz!

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Nur einen kleinen unkomplizierten Grenzübergang weiter, in Albanien, änderte sich das mit dem Schlagbaum schlagartig: die Landschaft entlang des großen Sees an der Küste zersiedelt mit Betonarchitektur, überall Müll und Plastiktüten in der Landschaft. Wir fuhren durch Shkoder und ich dachte auf dem Markt „das ist doch Türkei und nicht Europa!“. Bei einer ausgedehnten Rast mit herrlichem Salat auf einer Seeterrasse lasen wir dann mal den Reiseführer über Albanien und erfuhren: bis vor knapp 100 Jahren war Albanien auch noch türkisch!

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Die Sprache hat Illyrische Wurzeln und so kommt mir das auch ziemlich „türkisch“ vor, denn auf dem restlichen Balkan kann ich mich halbwegs durch Speisekarten und Floskeln durch „wurschteln“, in Albanien ist auch das anders. Ganz besonders auffällig: die jungen albanischen Männer erfüllen irgendwie so ziemlich alle Klischees, die man so von ihnen hat: so richtig fett einen auf dicke Hose machen. Dazu gehört ein Mercedes, bitte mit getönten Scheiben und toller Auspuffblende (mindestens!). Wer keinen Mercedes hat, nimmt stattdessen auch nen tiefer gelegten Audi. Ganz wichtig: Gel in die Haare und Sonnenbrille! Und dann ganz cool gucken!

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Wir wollten mit der Fähre über den Koman Stausee schippern und fuhren dazu zum Örtchen Koman, immer am Fluss entlang. Immer wieder machten wir Päuschen auf der völlig zerbombten Straße, um die Schönheit des Landes zu suchen. Unsere Mobiltelefone bekamen vom Mobilfunkbetreiber nämlich eine Willkommems-SMS mit dem Text: „Welcome to Albania – the country of great natural beauty!“ Wo war die „great natural beauty“? Da hatten wir wieder Mal das „Wasserfall-Problem“. Dieter hat es, Jan hat es, ich habe es. Wenn man beispielsweise die Iguazu Wasserfälle kennt, dann sind die Victoria Falls einfach nur langweilig. Und wenn man den Angel Fall kennt, ist man am Ende eines Trecks durch thailändische Berge mega enttäuscht über ein zartes Rinnsal, was die Felswand herunter plätschert und alle zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Wenn man schon sehr, sehr viel von der Welt gesehen hat, so ist es schwer, sich neu begeistern zu lassen. So auch bei der Fahrt nach Koman, bei der Jan unterwegs nur achselzuckend meinte: „Wasserfall.“. Damit war klar: „Ganz nett hier, haut einen aber nicht um, gibt schönere Ecken auf der Welt.“

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Wir fanden Unterkunft direkt nach dem 500m langen unbeleuchteten kurvenreichen Tunnel genau am Fähranleger mit Blick auf den See. Sehr albanisch, sehr basic, aber auch sehr gemütlich mit nettem Wirt und gutem Essen. Überhaupt: im Landesinneren waren die Albaner etwas weniger „cool“ drauf!

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In der Nacht stürmte und prasselte der Regen auf das Dach unserer Bleibe, wir wachten auf und alles war klamm, kalt und ungemütlich. Während des Frühstücks füllte sich das kleine Cafe mit Leuten, die alle zur Fähre wollten. Um kurz vor 9 ging es los: wir fuhren auf eine der zwei selbst gebastelten Auto“fähren“, die Fußgänger stiegen in einen alten Bus, den man mit einem Schiffsrumpf und Steuerrad in ein Boot verwandelt hatte. Das Treiben im „Hafen“ war auch ganz eindeutig „Türkei“ oder „naher Osten“ und somit erfrischend anders, aber auch etwas langweilig normal. „Wasserfall“ halt.

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Mit der selbstgebastelten „Fähre“ ging es mit nur 30 Minuten Verspätung los auf dem seit Ende der 80er Jahre existierenden Stausee. Der ist fast 35km lang und an manchen Stellen nur knappe 50m breit. Die Fahrt sollte ein Highlight sein! Wir waren gespannt, denn die albanischen Highlights bisher waren die Esel am Wegrand und der spannende Tunnel vor dem Fähranleger für uns. Die erste halbe Stunde Fährfahrt dachte ich „Wasserfall“. Wie in Venezuela: steil aufragende Felswände, dicht grün bis zum Wasser bewachsen, braunes Wasser. Der Regen machte es dazu noch „tropisch“ - wenn ich nicht so gefroren hätte...

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Als der See schmaler wurde, änderte sich das alles. Das Wasser wurde türkisgrün und die Fahrt wirklich besonders spektakulär. Bewundernswert, wie der Kapitän das selbst gebaute „Fährenfloß“ um Kurven, Felsen und eine frische Mure manövrierte! Das war dann doch ein Highlight und die „great natural beauty“ erschloss sich uns endlich!

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Leider wurde die „great natural beauty“ streckenweise von Müllinseln im See zerstört, durch die unser Kapitän im Zickzack manövrierte, um sich mit dem Müll nicht seine Schiffsschraube zu zerstören. Unglaublich, wie viel dicke Müllteppiche da herum schwammen! Unser Albanien Reiseführer ist 10 Jahre alt und schon dort heißt es, dass Albanien in Kürze ein ernsthaftes Problem mit dem Müll bekomme, wenn sich nichts ändert. Offensichtlich hat sich nichts geändert. Und wir beide, die wir schon außergewöhnlich viel in Ländern der dritten Welt unterwegs waren, haben so etwas auch noch nicht erlebt: so viel Müll in einem Binnengewässer!

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Am Zielort angekommen, wurden wir von guten Straßenverhältnissen überrascht. Nach den vielen Geschichten, die man so hört und nach dem, was wir am Vortag unter die Räder bekommen hatten, war das unglaublich gut! So kamen wir schneller als befürchtet durch den immer noch strömenden Regen vorwärts und statt die Schlaglöcher, Sandflächen, Kieselsteine und andere Hindernisse auf der Straße zu suchen hatten wir auch ein Auge für die Landschaft im Nordosten Albaniens. Sehr sanft, mit landwirtschaftlichen Flächen, Dörfern, Hügeln und Bergkulisse im Hintergrund. Viel schöner als im Westen! Die Ausreise aus Albanien war genauso unspektakulärer als die Einreise: man winkte uns einfach durch.

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Bei der Einreise in den Kosovo gab's einen Stempel in den Pass und wir mussten wir eine KFZ Versicherung abschließen, da keine deutsche Versicherung dort gültig ist. Mit 10€ für 14 Tage war das zwar kein Beinbruch, aber im Vergleich zudem, was meine Pet mich im Jahresbeitrag in Deutschland kostet (37€) doch „Wucher“ :-)

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Auffallend an der Fahrt durch den Kosovo, ein Land, nur 1/3 so groß wie Thüringen, waren die vielen Gräber und Kriegsdenkmäler entlang der Straßen. Hier ging es vor so wenigen Jahren so grausam zu...
Auch der Kosovo war mal türkisch und auch das spürt man! Wir sind nun im Zentrum von Prisren (im Regen und trocknen unseren Kram...), wo uns als erstes der Muezzin begrüßt hat.
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SilkeBig
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

Vom Regen ins Kurvenparadies


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Vom Kosovo selbst sahen wir wenig. Ich weiß, dass es dort hohe, schneebedeckte Berge gibt, weil ich die kurz zwischen den dicken Regenwolken gesehen habe. So kurz, dass Jan sie nicht gesehen hat. Außerdem sahen wir überall Festhallen, die für Hochzeitsfeiern warben. Ganz schlimm hässlich mit bunten Neonleuchten, viel Tüll und Plüsch und Glitzer. So viele von diesen Sälen gab es, dass man meinen könnte, Heiraten sei die Hauptaktivität im Kosovo. Von Katja, einer Freundin aus Schulzeiten, hatten wir noch so einige Ausflugstipps für den Kosovo bekommen, weil sie dort stationiert war. Aber das Wetter machte einen dicken, dicken Strich durch unsere Rechnung. Wir kommen aber wieder!

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Nach einem regenreichen Nachmittag in Prisren und einem ebenso nassen Vormittag dort beschlossen wir, die 100km nach Skopje in Angriff zu nehmen. Eigentlich wollten wir ja nach Serbien, um von dort aus nach Bulgarien einzureisen. Aber überall hörten oder lasen wir, dass man vom Kosovo aus nicht nach Serbien einreisen darf, nur über ein Drittland. Also Mazedonien, also Skopje.

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Wir dachten beide, dass die 100 Regenkilometer nach Skopje nicht so schlimm sein könnten, außerdem hatte Jan auch schon eine Unterkunft reserviert. Doch in den nur 100km bekamen wir so viel Wasser ab, wie nie! Weil wir stramm durch fuhren und weder Foto- noch Cafepause machten, waren wir früher als angemeldet an der Unterkunft, sodass niemand da war. In unseren Stiefeln herrschte hoher Seegang, Handschuhe und Helm standen komplett unter Wasser, wir wollten nur aus dem elenden Regen heraus!
Nach etwa 30 Minuten missmutigem Warten kam dann auch jemand mit dem Schlüssel. Bei der Unterkunft handelt es sich um den örtlichen Motorradclub, der sein Clubhaus dadurch finanziert, dass Zimmer vermietet werden. Um die sich niemand kümmert. Wie mies dort alles war, fanden wir erst heraus, als wir schon gezahlt hatten, die Schlüselfrau weg war und wir auch nicht mehr durch den Regen in eine andere Bleibe umziehen wollten.

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Das Bett war eigentlich ein Sofa, dessen Polsterung so defekt war, dass Jan sich die ganze Nacht eine zerbrochene Stahlfeder in den Po stach. Das Zimmer war so verdreckt, dass überall Wollmäuse lagen. Im Bad klebte alles, das Waschbecken war saudreckig, der Mülleimer am Klo voll mit benutztem Klopapier, der Boden dauernass vom leckenden Boiler. Es war die gruseligste und dreckigste Unterkunft seit ewigen Zeiten! Immerhin hat es uns nur 17€ gekostet und es gab im Minizimmer einen kleinen Ölofen, auf dem wir versuchten, Stiefel und Handschuhe zu trocknen.

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Gegen 18 Uhr hörten wir Trillerpfeifen auf den Straßen, die Polizei sperrte alles ab. Was war da los? Jeden Tag gehen in Skopje um 18 Uhr die Menschen mit Trillerpfeifen und mit Farbbeuteln bewaffnet auf die Straße, um gegen die Regierung zu protestieren. Die Farbbeutel werfen sie gegen Gebäude oder Denkmäler, um „Zeichen zu setzen“. Sie nennen es „die farbenfrohe Revolution“. So sind Triumphbogen, Justizpalast und Hauptplatz bunt bekleckst. Mehr passiert nicht.

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Wir gingen erst mal lecker am Hauptplatz essen und waren überrascht von der Stadt! Von Skopje und Mazedonien hatten wir gar keine Vorstellung, da wollten wir ja auch ursprünglich gar nicht hin! Ich hatte bestenfalls die Idee, dass Skopje dem grauen Einheitsbrei sozialistischer Großstädte ähnelt. Und davon hatte ich in den letzten Monaten mehr als genug! Doch Skopje putzt sich heraus mit protzigen Neubauten, dem weiß gepflasterten Hauptplatz und vielen netten Straßencafés, die man so eher in Rom oder Paris erwartet hätte!

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Am nächsten Morgen war die Sonne da und wir besuchten das Mutter Theresa Museum, denn Mutter Theresa stammt aus Skopje! Danach bummelten wir durch die Gassen des alten Basars, wo es fast wie in Sarajevo aussah. Richtig schön dort alles! Es wird super viel gebaut und renoviert, aber wenn das in schätzungsweise 5 Jahren alles fertig ist, dann ist Skopje erst Recht eine Reise wert!

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Weil es in Serbien die nächsten Tage regnen sollte und in Mezedonien das Wetter gut war, entschieden wir uns, noch mehr von Mazedonien kennen zu lernen und fuhren Richtung Ohrid See. In unserer miserablen Unterkunft bekamen wir zum Abschied immerhin tolle Motorrad-Tourentipps und teilten uns dann an diesem schönen Sonntag die paradiesisch verkehrsleeren Straßen mit den einheimischen Motorradfahrern. Guter Asphalt und reichlich Kurven, dazu wenig Siedlungen, nahezu kein Verkehr in toller Landschaft! Weicher, warmer Sommerwind, überall Blumenwiesen und im Nationalpark ganze 67km nur Natur! Es war so wunderschön!

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Am Ohrid See, einem der tiefsten und ältesten Seen der Erde, hatten wir die Adresse einer versteckt im Wald gelegenen etwas alternativen Unterkunft mit Hängematten und Seeblick, zu der ein steiler Schotterweg führte. Leider war dort nichts mehr frei (kein Wunder! Ein echtes Paradies dort!), aber wir wurden einfach an den Familientisch zu Oma, Opa und den Nachbarn gesetzt und bekamen erst mal Kaffee. Währenddessen organisierte uns der Hausherr, Andon, eine Bleibe. Die ist super luxuriös am Seeufer: ein Luxus-Apartment für 25€ die Nacht!

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Zum Sonnenuntergang gab's Forelle am Seeufer, dazu Musik, einfach herrlich! Vergessen der ganze Regen, die auf der Terrasse trocknenden Stiefel, die immer noch feuchten Handschuhe. Hier war das Paradies: Kurven, ein toller See, leckeres Essen und das alles in einem winzigen Dörfchen von etwa 15 Häusern, zwei Lädchen und einem Restaurant.

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Obwohl wir in unserem Apartment Küche und Terrasse hatten, zogen wir zum Frühstück mit Picknick aus dem Dorfladen an den See und frühstückten am Kiesstrand in der Sonne. Wir beschlossen, noch einen Tag zu bleiben und zum Macedonium zu fahren, einem skurrilen Denkmal auf 1300m in einer Skiregion des Landes. Unzählige phantastische Kurvenkilometer später (120km) später waren wir da. Für den 1€ Eintritt bekamen wir sogar eine ausführliche persönliche Erklärung des Gebildes.

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Eigentlich hat alles in dem Ding eine Bedeutung, jede Farbe, jede Skulptur, jedes Objekt eine Symbolik. Merken konnten wir uns das alles natürlich nicht. Grundsätzlich steht das Monument aber als Mahnmal gegen Völkermord, gegen Kriege, Vertreibungen und Religionsfehden. Und das in 70er Jahre Architektur, sehr besonders!

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Direkt um die Ecke vom Mecedonium fanden wir ein Restaurant, in dem scheinbar die halbe Region saß, denn es war gut gefüllt trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit (15 Uhr) und wir bestellten einfach, was alle auf dem Tisch hatten: einen Grillspieß mit Fleisch und Gemüse, der auf einem Ständer aufgehängt serviert wurde. Dazu Kartoffeln und Brot, das mit Öl beträufelt und Gewürzen bestreut war. Himmlisch!

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Wir fuhren über aller-allerkleinste Sträßchen weiter, durch kleine Dörfer, auf Kopfsteinpflaster Straßen, die vom Rand her mit Gras überwachsen waren. Verwunschene Orte, Laubwälder, Felder und dann wieder ein toller See. Mazedonien ist landschaftlich ein tolles Land! Wahrscheinlich sind wir auch deshalb so begeistert, weil wir gar keine Ahnung hatten, was uns erwartet, weil wir ja eigentlich nach Serbien wollten und nicht nach Mazedonien.

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Wir schraubten uns über ein dünnes Teerband auf einen 1600m hohen Pass, von dem aus man den Ohrid See 1km tiefer wie aus dem Flugzeug sehen konnte! Atemberaubend! Der Pass endete kurz vor der albanischen Grenze und weil wir wussten, dass 2km hinter der Grenze ein Freund aus Krefeld gerade als Teilnehmer der Ilyria Raid war, beschlossen wir, zu Sonnenuntergang nach Albanien zu fahren.
Gegen 20 Uhr kam Dirk völlig erschöpft an und erzählte von Hunderten steinigen Kilometern, anstrengenden und langen Fahrtagen. Härter als eine Rallye, meinte auch Alessio, der natürlich als Fotograf auch dabei war. Dazu noch zwei weitere Bekannte, die überrascht waren, uns hier zu sehen. Ein schöner Abend im Rallyezirkus, der keiner war, weil Raid. Erst in der Nacht fuhren wir wieder zurück nach Mazedonien und hatten einen so schönen Tag mit knapp 300 herrlichen Kilometern hinter uns! Jetzt geht es weiter, wir verlassen das kleine Paradies rund um den Ohrid See.
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

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Es ging weiter in Richtung Sommerwetter, immer den Wetterbericht fest im Blick. In Serbien war immer noch Weltuntergang, in Bulgarien solle erst am Mittwoch der Regen eine Pause einlegen, also weiter gen Süden – und da liegt Griechenland!
Unser Wirt am Ohrid See empfahl uns noch ein Dörfchen auf der Chalkidiki Halbinsel, an dessen Strand man gut übernachten könne. Herz, was willst Du mehr? Also los zur Nacht am Strand! Durch Mazedonien kurvten wir in gewohnt toller Landschaft auf leeren Straßen und gutem Asphalt, nur der starke, sehr böige Wind nervte. Dann kam die griechische Grenze und wir waren, am Tag der Auflösung des Flüchtlingslagers von Idomeni, gespannt, ob das Auswirkungen an der Grenze haben würde. Doch außer dem Grenzzaun sah man nichts – und der Grenzzaun selbst endete in sichtbarer Entfernung an einer Hügelkette – für wie doof hält man die Flüchtlinge – oder wie doof sind sie tatsächlich?

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Genau im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland rutschte bei Pet der Dekompressionszug aus seiner Halterung – und ab da musste Jan die kleine Pet ankicken, denn ohne Deko habe ich nicht die Kraft dazu. Kurz nach der Einreise in die EU stoppte ich Jan, weil sein Kettenblatt gefährlich schlockerte und die Kette wild herum schlug. Irgendwie schien die EU unseren Balkanmotorrädern nicht gut zu tun. Es stellte sich heraus, dass auch bei unserem Suzuki Händler gilt: nie schrauben lassen, immer alles selber machen – nur dann weiß man, dass es richtig gemacht ist!

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Jan hatte seinen Oskar ja beim Suzuki Händler gekauft. Der hatte vor dem Verkauf noch ein neues Kettenkit verbaut, dessen Kette minderer Qualität ist (Jan fettet die Kette und musste schon ordentlich nachspannen, ich fette nicht und spanne auch nicht nach). Das neue Kettenblatt hatte der Händler wohl mit den ausgenudelten, alten Kettenblattschrauben wieder befestigt, die Muttern jedoch nicht zur Sicherheit noch mit Schraubenkleber gesichert. Diese hatten sich nun auf den vergangenen 3500km gelöst. Eine Schraube war komplett verloren, von einer anderen war die Mutter weg und alle anderen Schrauben so lose, dass das Kettenblatt wackelte und die losen Schrauben in die Schwinge einschlugen. Super! Wieder der Beweis dafür, dass man seine Fahrzeuge immer selber warten sollte, statt sie in die Vertragswerkstatt zu bringen!

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Mit dreckigen Schrauberpfoten ging es weiter Richtung Chalkidiki, der Wind blies heftig, die Böen machten das Fahren unangenehm. Auch die Landschaft war furchtbar. Nördlich von Thessaloniki war die Gegend wie zerbombt und ausgehöhlt von Tagebauen, Kohlekraftwerken und allem dazugehörigen Dreck und Infrastruktur. Alles andere als einladend! Südlich von Thessaloniki ging uns dann doch das Herz auf: das blaue Meer stets auf der rechten Seite leuchtend und sanfte Hügel im Hinterland mit Pfisichplantagen. Pet und Oskar feierten ihren 20. „Mileday“ und haben jetzt beide die 20.000km Gesamtkilometerleistung auf dem Tacho stehen. Zur Feier des Tages gab's zufällig an einer Tankstelle auch Shell V-Power Benzin zum Preis von 95er Normalbenzin, den die beiden sich schmecken ließen.

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Bis zum empfohlenen Strand war es noch 80km durchs kurvige Hinterland und wir standen ewig an einer roten Ampel gegenüber von einem Imbisswagen. Jan und ich hatte Hunger und keine drei Kilometer später hielt Jan an und verkündete, er hätte im GPS ein Strandrestaurant gefunden, da könnten wir zu Abend essen. Und ich bemerkte, dass wir genau vor einem Schild standen „Camping 200m“. So fügte sich alles. Der Campingplatz lag in einem Olivenhain direkt am Strand und die Taverne im Örtchen hatte ihre blauen Holzstühle direkt im Sand am Meer aufgebaut.

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Was ein Traum! Natürlich gab es „Greek Salad“ und dazu gegrillte Sardinen zum Sonnenuntergang am Meer! Die beiden Katzen unterm Tisch freuten sich über die Fischköpfe und wir uns über unseren Zufallsfund und Glücksgriff. Das war zwar keine Nacht am Strand, aber auch wunderschön!

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Später sind wir mit Kerzenlaterne an den Strand gegangen und haben den orangefarbenen Vollmond dabei zugesehen, wie er über der Bucht aufstieg. Himmlisch! Unser Zelt stand direkt hinter der Glasreling zum Strand mit Blick aufs Wasser und zum Wellengeplätscher schliefen wir ein. Traumurlaub mitten im Urlaub!
Am nächsten Morgen weckten uns die Handwerker, die direkt neben dem Zelt einen alten Schilf-Sonnenschirm zerpflückten und einen Unterstand mit Holzlasur strichen. Wir waren irritiert: so früh fangen die in Griechenland an, zu arbeiten? Beim Einkauf im Dorflädchen erhärtete sich der Verdacht, dass wir die einzigen sind, die etwas spät dran sind. Beim Strandfrühstück mit grausam ekligen griechischen Croissants (nur Chemie!) und frischen Aprikosen las ich auf dem Kassenbon dann die Uhrzeit: wir waren in einer anderen Zeitzone!

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Der Wind blies weiterhin heftig und trieb uns die Kälte in die Knochen, während wir Richtung Bulgarien in die Berge fuhren. Irgendwie war die ganze Strecke nicht wirklich reizvoll, die Landschaft überall durch riesige Steinbrüche angeknabbert und dementsprechend viele LKW, die die Marmorplatten abtransportierten. Griechenland hat verwirrend lustige Ortsnamen, dort gibt es Alexandria, Neapoli und Drama. Bei Drama ging's über die Grenze nach Bulgarien, wo wir von sehr ernsthaften Kontrollen überrascht wurden. Es ging doch nur von einem EU Land ins andere EU Land und noch nie hatte ich das bei der Einreise nach Bulgarien erlebt. Uns wurde später erklärt, das läge an der Situation mit den Flüchtlingen.

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Kaum in Bulgarien, wurde es auch schön. Unerwartet genial und traumhaft! Ich war noch nie in dieser Region des Landes und so kurvten wir uns von einem Highlight zum nächsten: verwunschene Waldseen, dunkle Nadelwälder, lichte Birkenalleen, klare Bergseen, tiefe Schluchten, schneebedeckte Berge, winzige Wiesenbäche, sanfte Blumenwiesen – und dazwischen ein gutes Asphaltband, das für fast 170km Kurvenrausch sorgte. Es war einfach un-glaub-lich! Und dazu niemand auf den Straßen, wir hatten die ganzen Rhodophen für uns alleine!

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In Plovdiv angekommen kamen wir in einem Hostel mitten in der Altstadt unter, Pet und Oskar stehen im gemütlichen Innenhof neben den Gartenmöbeln und einem weiteren Motorrad eines Gastes, wir hatten Glück und bezogen ein großes Doppelbett hinter luftigen Vorhängen im Schlafsaal. Ein bischen Himmelbett mit genug Raum für Gepäck drumrum. Wir waren ja schon in so vielen Hostels weltweit, aber so etwas hatten wir beide noch nicht gesehen! Draußen wütete der Sturm und im Hostel herrschte eine Oase der Gemütlichkeit in einer Art Wintergarten, in dem alle Gäste beisammen saßen.
Später haben wir uns noch mit Alex, Vilena und Marco von der Breslau Rallye zu einem üppigen Abendessen getroffen und fielen glücklich und vollgefressen in unser Himmelbett. Ivo hatte uns noch aus dem Motocamp geschrieben, dass wir besser erst am Freitag kommen sollten, es herrsche seit Tagen Unwetter mit unendlichen Regenmassen, Sturm und dadurch bedingten Stromausfällen. Weil es in Plovdivs Altstadt so schön (aber auch heftig stürmisch!) ist, das Hostel so gemütlich und unser Himmelbett so kuschelig ist, beschlossen wir, einfach länger zu bleiben und erst am Freitag Pet und Oskar in ihr neues Zuhause zu bringen.

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Und wieder zeigte sich, dass es sinnlos ist, auf einen Campingplatz zu gehen. Unserer in Griechenland war zwar wirklich schön, aber so dermaßen überteuert, dass es uns hinterher geärgert hat, nicht doch einfach in einen Olivenhain im Hinterland gegangen zu sein. Wir hätten 24€ zahlen müssen für eine Nacht im Zelt dort. Die nette Dame dort reduzierte den Preis auf 20€. Dafür bekamen wir eigentlich nichts, außer den Zeltplatz und rudimentäre sanitäre Anlagen (ohne Klopapier etc.) mit fest geregelten Zeiten für Warmwasser. Im Hostel in Plovdiv kostete uns das Himmelbett mit Frühstück, Steckdosen, nonstop Heißwasser in Riesendusche, W-Lan, Küchenmitbenutzung, Wäscheservice etc. nur 9€ pro Person – also deutlich weniger Geld als auf dem Campingplatz für deutlich mehr Komfort!

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Den Donnerstag in Plovdiv verbummelten wir gemütlich mit Eis, bis der Regen alles unter Wasser setzte und wir froh waren, im gemütlichen Hostel zu sitzen und mit allen anderen das Mistwetter nur durch das große Fenster erleben zu müssen. Und jeder Bulgare beteuerte uns, dass das „aber nicht normal“ sei mit dem Wetter! Während draußen der Regen prasselte, haben Jan und ich einfach Mal einen Besuch bei Pet und Oskar gebucht – im August, bei hoffentlich wirklich gutem Wetter! Für knappe 100€ pro Person fliegen wir im Hochsommer ein paar Tage nach Bulgarien, um endlich Mal die ganzen tollen Pässe hier bei gutem Wetter zu genießen!
Freitag früh ging es los auf die letzte Etappe. Ich wollte endlich mal das Tal der Rosen zur Rosenblüte sehen. Beim ersten Mal, im Mai 2009, fuhren wir nur durch dicken Nebel, die letzten Male war immer Hochsommer und die Rosen schon geerntet. Im Tal der Rosen findet die weltweit größte Produktion von Rosenöl statt und das zwischen Mai und Juni! Also los!
Wie sollte es auf dieser Reise auch anders sein: es hatte im Tal der Rosen kurz vorher wieder aus Eimern geschüttet, die Straßen waren nass und die Rosen hatten daher einfach keine Lust, zu duften. Auch einer meiner zwei liebsten Bergpässe Bulgariens, der Shipkapass, trug nicht dazu bei, dass der Tag toll wurde: der Asphalt nass, meine Reifen immer noch rutschig, die Straße voll mit Sand, Blättern und anderen Dingen, die das tagelange Unwetter so mit sich bringt und dazu war noch an einigen Stellen die Straße abgerutscht oder aufgerissen! Der kalte Büffelmilchjoghurt auf der Passhöhe wurde durch heißen Eintopf im kalten Nebel ersetzt. Später erfuhren wir: die Unwetter der letzten Wochen mit Regen waren so heftig, dass in Gabrovo ein Parkplatz samt darauf parkender Autos in den Fluß gerutscht ist.

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Kurz vor dem Ziel Idilevo haben Jan und ich uns beide fast noch auf den rutschigen Straßen hin gelegt. Jan hat einen netten Stunt mit dem Hinterrad gezeigt (kein Wunder bei dem Slick!), ich habe ausprobiert, wie schräg der Vorderreifen kommen kann, bevor der Lenker den Boden berührt. Ich hatte, ganz ehrlich, die Nase voll vom Wetter. Trotzdem war ich bei Ankunft im Motocamp traurig, dass wir nun da waren. Wir könnten beide einfach weiter fahren, wir hätten alles dabei und der Zeitpunkt wäre perfekt, um zum leckeren Essen nach Georgien und dann weiter durch die „Stans“ zu fahren. Pet und Oskar warten aber hier auf uns und neue Abenteuer, von denen schon ganz viele in unseren Köpfen spuken!

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Wir haben beide auf den vergangenen 4000km gelernt: kein Mensch braucht eine große Reiseenduro, für mich reichen die 350ccm und 27 PS völlig, denn beim Reisen braucht man kein Tempo auf der Autobahn und auf Nebenstrecken hängt mich mit der wendigen Pet auch keine dicke BMW ab – trotz (oder weil) Komplettpaket aus Niedereschach.
Jan und Oskar sind auch gute Freunde geworden, besonders auf kurvigen Landstraßen. Wir lächeln über alle Fahrer dicker Reiseenduros mit Gepäckbergen und überlegen, ob die vielen Kubik und PS nur deswegen nötig sind, um das viele Gepäck vom Fleck zu bekommen? Die letzten Jahre habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: „Mit welchem Motorrad würde ich um die Welt fahren?“ und nichts im aktuellen Angebot gefunden. Jetzt bin ich sicher: mit der DR350! Die Pet kann das! Und wartet nun brav im Motocamp.
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SilkeBig
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

So, im August bekommt die kleine Pet jetzt den Metzeler Enduro 3 verpasst (statt Heidenau) und nen neuen Dekozug spendiert, dann ist sie wieder fit für mehr!

Fazit der Ausrüstung:
Wir sind gestern zu zweit mit zusammen 15,8kg Gepäck wieder heim geflogen. Zelt, Schlafsäcke und Kochgeschirr sind bei den Moppeds geblieben. Und trotz des Leichtgepäcks war's immer noch zu viel, wir haben ungetragene Shirts wieder heim gebracht.
Bis auf mein vergessenes Kopftuch und den Bikini sowie Montierhebel hatten wir alles dabei, was wir gebraucht hätten, um einfach weiter zu fahren. Einmal rund um den Globus und wieder zurück. Oder so.
Unsere Idee war es, die beiden Moppeds absolut low budget auszustatten. Meine Satteltaschen waren vom Flohmarkt von Louis in Hamburg und haben 17€ gekostet. Der Rest der Ausrüstung auch - außer Klamotten natürlich.
Die Satteltaschen sind großer Mist. Durch den Klett an der Öffnung wird das Material zu dick, um es wasserdicht wickeln zu können. Außerdem ist das Außenmaterial wasserdurchlässig, sodass bei Regen das Wasser zwischen Innen- und Außentasche steht und nie, nie mehr raus kommt. Dazu kommt, dass die Taschen mit nur halber Beladung (bei Tagesausflügen nur Regenzeug drin z.B.) so instabil und wabbelig weich sind, dass der Fahrtwind genügt, um sie um den Träger an den Auspuff zu biegen. Etwas angeschmort nun. Diese ollen Dummtaschen für Schönwetterfahrer werden im Winter durch meine Ortliebtaschen ersetzt. Die kommen hier eh zu selten in Einsatz, als dass sie in der Garage noch Berechtigung hätten.
Der RackPack hat ein pfiffiges Ventil, um beim Rollen Luft abzulassen, leider ist das Material dünner als Ortlieb, sodass ich beim Auf- oder Absteigen irgendwann mit der Stiefelkappe einen Schlitz ins Außengewebe gerissen habe. Ärgerlich, aber noch wasserdicht. Neukauf von Ortlieb kommt nicht in Frage, weil das Zeug dank Teuertech Schriftzug gleich teurer wurde. Vielleicht gibt's aber so ne Tasche auch aus festerem Material bei Mitbewerbern, muss ich mal schauen.
Die Sitzbank der DR ist frisch gepolstert und mit dem Schaffell darauf absolut langstreckentauglich! Auch am ersten Tag nach 927km kein Popoweh!
Silke
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von el_lobo »

SilkeBig hat geschrieben:...
Die Sitzbank der DR ist frisch gepolstert und mit dem Schaffell darauf absolut langstreckentauglich! Auch am ersten Tag nach 927km kein Popoweh!
Silke
Super wäre ja wenn man mal ein Bild dieser Sitzbank zu sehen bekäme!
Nach dem ich voriges Jahr immer genau nach 400km die Grenzen des Erträglichen erreicht hatte, bin ich gerade dabei eine etwas breitere Sitzbank zu basteln.
Da wäre ein Bild von einer bereits langsteckenbewährten Sitzgelegenheit sehr hilfreich …

:uups:
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von Staubteufelchen »

Hallo Silke,

Ortlieb hat auch Flickzeug im Sortiment (zumindest gehabt)... Schau doch mal bei den üblichen Outdoor- bzw. Fahradzubehörhändlern.

Gruß, Andreas
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von Mecke »

Hallo Silke,
Hut (Helm tut's auch :rofl: ) ab erst mal vor deiner Leistung diese Etappe geschafft zu haben.
Ich hätte das in meinem Alter(56) wohl nicht mehr bewerkstelligen wollen.
Dann, obwohl ich nicht(noch nicht) alles gelesen habe :respekt: :respekt: :respekt:
vor so einem tollen Reisebericht!
Da hast Du Dir sehr viel Mühe gemacht und für viele Fories bestimmt eine Bereicherung.
Gruß Mecke
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von SilkeBig »

@Lobo:
Die Sitzbank hat hier der Sattler vor Ort gemacht. Ich hoffe, dieses Foto tut's, denn ich kann ja kein anderes machen, die Pet steht in Bulgarien!
Da drauf liegt mein 30 Jahre altes Schaffell.

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@Mecke:
Das hat nix mit dem Alter zu tun - meins steht im Text und ich tu's mir in Deinem Alter bestimmt noch an :-) Der Kopf macht's! :-)

@Staubteufelchen:
Braucht man nicht, geht auch mit Duschvorhang und flexiblem Schuster - Schuhsohlenkleber. Hält seit gut 15 Jahren so. Ich suche nach nem RackPack, das hält... Flicke ich das Billigding, reiße ich es auf den nächsten 4000km wieder mit dem Stiefel auf...
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Re: Mit der DR350 4000km über den Balkan

Beitrag von el_lobo »

SilkeBig hat geschrieben:@Lobo: Die Sitzbank hat hier der Sattler vor Ort gemacht. Ich hoffe, dieses Foto tut's, denn ich kann ja kein anderes machen, die Pet steht in Bulgarien!
Da drauf liegt mein 30 Jahre altes Schaffell. ...
Super, danke! :thumbup:
Ich hatte eher an eine nach hinten breiter werdende Sitzbank gedacht, so wie auf dem Bild unten.
Aber scheinbar muss sie gar nicht so breit sein …
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